🌸 Der Mann, der Schmetterlinge malte – Nam Gye-u und die Kunst der Joseon-Zeit
In der späten Joseon-Dynastie war das Malen von Schmetterlingen ein beliebtes Genre in der koreanischen Malerei. Künstler wie Baek Eun-bae (白殷培), Kim Seok-hee (金奭熙), Seo Byeong-geon (徐丙建) oder Song Su-myeon (宋修勉) widmeten sich häufig floralen und faunistischen Motiven. Doch unter all diesen Namen ragt einer besonders hervor: Nam Gye-u (남계우, 1811–1888).
Er wurde zu Lebzeiten so sehr mit seinen Schmetterlingsdarstellungen identifiziert, dass man ihn ehrfürchtig „Nam Nabi“ (남나비 – „Schmetterlings-Nam“) nannte. Seine Bilder zeichnen sich durch feine Linien, leuchtende Farben und eine außerordentliche Detailgenauigkeit aus, die ihm einen Platz unter den bedeutendsten Naturmalern Koreas einbrachten.
Wer war Nam Gye-u?
Nam Gye-u stammte aus einer angesehenen Familie in der Hauptstadt und war ein direkter Nachfahre des berühmten Gelehrten Nam Gu-man (南九萬). Er war Beamter am Hofe und trug den Titel Dojeong in Namchon (Seoul). Sein Künstlername war Ilho (일호), und seine Werke entstanden überwiegend in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts – einer Periode, in der Korea sich zwischen Tradition und Moderne bewegte.
Warum „Nam Nabi“?
Nam Gye-u war kein gewöhnlicher Blumenmaler. Seine Bilder heben sich durch ihre wissenschaftlich exakte Naturbeobachtung und eine malerische Eleganz von anderen Künstlern seiner Zeit ab.
Sein berühmtestes Werk, „Gunjeopdo“ (군접도, „Bild von Schmetterlingsschwärmen“) zeigt über 150 verschiedene Schmetterlingsarten – jede mit individuellen Flügelmustern und in lebensechten Posen. Diese Kombination aus naturkundlicher Präzision und malerischem Gespür war zu dieser Zeit außergewöhnlich.
Bildaufbau und Stil
Typisch für Nam Gye-us Werke ist die klare Dreiteilung des Bildaufbaus:
- Oben: Ein poetischer oder erklärender Titeltext (제발/題跋), der Ursprung und Intention des Bildes beschreibt.
- Mitte: Schwärmende Schmetterlinge in harmonischer Bewegung, oft im Zentrum der Komposition.
- Unten: Blumen wie Pfingstrosen oder Glyzinien, die sich diagonal über die Fläche erstrecken.
Diese Struktur verbindet klassische ostasiatische Ästhetik mit dem Gefühl von Bewegung und Tiefe. Seine Farben sind lebendig, die Linien sorgfältig geführt – und dennoch wirken seine Werke nie überladen.
🌺 Zwischen Wissenschaft und Poesie
Nam Gye-u beobachtete die Natur mit der Präzision eines Biologen und malte sie mit der Sensibilität eines Poeten. Seine Bilder sprechen nicht nur das Auge, sondern auch das Herz an.
In seinen Blumen und Schmetterlingen zeigt sich das Vergängliche und das Ewige zugleich – eine zentrale Idee der ostasiatischen Ästhetik. Seine Werke wirken fast meditativ und laden dazu ein, sich in Details zu verlieren.
🏛️ Nachwirkung und Vermächtnis
Die Werke von Nam Gye-u befinden sich heute in bedeutenden Museen, darunter:
- das Nationalmuseum von Korea,
- das Leeum Samsung Museum of Art,
- die Ewha Universität,
- sowie internationale Sammlungen wie das Metropolitan Museum of Art in New York.
Sein Einfluss auf die koreanische Naturmalerei ist bis heute spürbar. Er steht exemplarisch für die Verbindung von Tradition, wissenschaftlicher Genauigkeit und emotionalem Ausdruck in der Kunst der Joseon-Zeit.
✍️ Fazit
Nam Gye-u war mehr als ein Maler von Schmetterlingen – er war ein Chronist der Natur in einer Zeit des Umbruchs. Seine Werke zeigen uns, wie genaues Beobachten zu wahrer Kunst wird.
In einer Welt, die sich heute oft in Geschwindigkeit verliert, erinnern uns seine Bilder daran, wie viel Schönheit im Stillen, im Kleinen und im Flüchtigen liegt.
📌 Quellen:
- Wikipedia (Koreanisch, Englisch, Deutsch)
- Nationalmuseum Korea
- Enzyklopädie der koreanischen Kunst
- Fachartikel zur Joseon-Malerei